M. Brühlmeier u.a.: Das Zürcher Zunftwesen

Cover
Titel
Das Zürcher Zunftwesen.


Autor(en)
Brühlmeier, Markus; Beat Frei
Erschienen
Zürich 2005: Neue Zürcher Zeitung - Buchverlag
Anzahl Seiten
318 S., 344 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hellmut Gutzwiller

An Darstellungen des Zürcher Zunftwesens fehlt es nicht. Während aber die bisherigen Publikationen sich auf die wirtschaft liche Bedeutung des Zunftwesens beschränkten, stellt das neue zweibändige Werk die Geschichte der Zünfte in den Zusammenhang der politischen und der Sozialgeschichte. Die beiden Autoren konnten sich dabei auf die Vorarbeiten des 1968 verstorbenen Historikers Albert Lutz stützen.

Im 1. Band schildert Brühlmeier sehr eingehend die Zunftrevolution von 1336, den verfassungsrechtlichen Rahmen der Zünfte, ihren inneren Aufbau und ihre Entwicklung bis zum Untergang der alten Eidgenossenschaft im Jahr 1798. Im Gegensatz zu anderen Städten war Zürich ein Modellbeispiel einer Zunftstadt. Die Zünfte prägten nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das gesellschaftliche und politische Leben. Sehr aufschlussreich sind die graphischen Darstellungen der Verteilung der Sitze der Zünfte und der Constaffel (Vertreter der Ritter und Burger) im kleinen Rat.

Der zweite Teil des 1. Bandes mit dem Titel «Zunftgesellschaft» bietet eine eingehende Darstellung des inneren Aufbaus der Zünf te, ihrer sozialen Zusammensetzung und ihrer gesellschaftlichen Anlässe im Laufe eines Jahres (Neujahr, Fastnacht, Aschmittwoch, etc.).

Der 2. Band umfasst zwei Teile: Der erste, von Brühlmeier verfasste Teil mit dem Titel «Zunftherrschaft» enthält einen Überblick über die Aufgaben und Pflichten der Zünfte bis 1798: ihre politische Funktion, die «bürgerlichen Dienste» (Wacht und Kriegsdienst), ihre Tätigkeit als religiöse Bruderschaften (Vorsorge für Todesfälle unter den Mitgliedern einer Zunft und Armenfürsorge), ihre wirtschaftliche Funktion und ihren Einfluss auf das Handwerk in der Landschaft.

Der zweite, von Beat Frei verfasste Teil schildert die Entwicklung des Zunftwesens von 1798 bis in die Gegenwart. Die Zünfte waren nun keine Handwerkervereinigungen mehr, sondern Gesellschaften mit gemeinsamen Anlässen. Infolge des liberalen Umschwungs von 1830 erhielten die stimmberechtigten Stadtbürger das Recht, ihre Zunft unabhängig von Stand und Beruf frei zu wählen. Im 30. März 1867 wurde überdies die Stadtzunft gegründet; sie diente den neu aufgenommenen Stadtbürgern, aber auch den in Zürich wohnenden Schweizer Bürgern. Durch die Eingemeindung von 11 «Ausgemeinden» am 1. Januar 1893 wurde Zürich zur ersten Grossstadt der Schweiz. In den folgenden 100 Jahren wurden 13 neue Zünfte, welche die Gesellschaften der neu eingemeindeten Ausgemeinden umfassten, in den Zunftverband eingegliedert. Frei schliesst den von ihm verfassten Teil ab mit einer eingehenden Darstellung des Ursprungs und der Entwicklung des Sechseläutens.

Beide Bände enthalten zahlreiche farbige Illustrationen: Abbildungen von Urkunden und Aktenstücken betreffend die Zünfte, Seiten aus den Zunftbüchern, Zunfthäuser und Wappenscheiben. Besonders aufschlussreich sind die 23 Tabellen am Schluss des 2. Bandes. Sie geben in Form von Statistiken und graphischen Darstellungen Auskunft über die verschiedensten Probleme: über Amtsdauer der Ratsherren und Zunftmeister, Zunftmeisterwahlen von 1336–1365 und 1375–1475, Vertreter einzelner Zünfte im Kleinen Rat, Zusammensetzung der Bevölkerung Zürichs im Jahr 1780, Verteilung der Vermögen, soziale Schichtung der Zünfte von 1599–1790. Besonders sei auf die zeitaufwendigen Nachforschungen für Zusammenstellung dieser Tabellen hingewiesen. Das vorliegende zweibändige Werk übertrifft mit seinen neuartigen, vielseitigen Fragestellungen sämtliche bisher erschienenen Publikationen auf dem Gebiet des Zunftwesens. Es ist somit ein Vorbild für künftige Darstellungen der Geschichte der Zünfte in andern Schweizer Städten.

Zitierweise:
Hellmut Gutzwiller: Rezension zu: Markus Brühlmeier, Beat Frei: Das Zürcher Zunftwesen. Zürich, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2005. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 56 Nr. 4, 2006, S. 488-489.